Kann man diesen mehr als 100 Jahre alten Versen ihren Reiz absprechen? Einige von ihnen zünden unmittelbar, andere wären durch geringe sprachliche Korrekturen leicht zu aktualisieren. Nachahmenswert ist die Bündigkeit, mit der die kurzen Zeilen dem paradoxen Ende zustreben. Hier trat ein scherzhaftes Gedicht auf, das mit dem Prosa-Kurzwitz, mit seiner Prägnanz und dem Spaß an der frappierenden Auflösung, mithalten konnte und dank Vers und Reim eine besondere Ausstrahlung erhielt.
Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben , dass von den 100 Gedichten, die in Stillfrieds Sammlung überliefert werden, uns viele belanglos erscheinen. (Wir verzichten darauf, entsprechende Beispiele zu nennen.) In vielen dieser 100 Jahre alten Vierzeiler stört die phantasiearme Persiflage des Danielschen Vorbilds, manchmal auch ihre Lässigkeit und altväterliche Ausdrucksweise. Besonders aber zählt, dass die Witzempfindung einer entfernten Generation aus ihnen spricht. Der Klapphornvers ist ein Kind der wilhelminischen Zeit und über sie nicht hinaus gewachsen.
Anders die ungebrochene Tradition des britischen Limerick: Beim Vergleich mit den eben besprochenen Klapphornversen darf nicht vergessen werden, dass fast alle Limericks, wie sie heute zitiert werden, aus einer uns näheren Zeit stammen. Zwischen den einfachen Fünfzeilern Edward Lears (gest.1888) und den artistischen Versen von Norman Douglas (gest. 1952) oder Ogdan Nash (gest. 1971) liegt ein weiter Weg. Damit soll nicht gesagt werden, dass der bewusst einfältige Limerick ausgedient habe. Der Zuschnitt dieses Fünfzeilers ist weiter geworden, umfasst den einfachen, hausgemachten Limerick ebenso wie sein wortgewandtes, zum intellektuellen Spiel reizendes Gegenstück jüngeren Ursprungs. (® Was ist ein Limerick)
Kann der Klapphornvers in zeitgemäßer Form und mit größerer Themenweite wiederbelebt werden? Der 2002 gegründete „Verein zur Rettung des Klapphornverses“ will es versuchen. Er hat bisher drei Wettbewerbe abgehalten, deren Ergebnisse in dieser Homepage zu lesen sind. (® Die Schönsten). Der aktuelle Klapphornvers muss den Sprung zu unserer Ausdrucksweise und der heute wirksamen Pointe finden. Im Internet sind vereinzelte neuere Klapphornversuche anzutreffen, die beim wilhelminischen Vorbild stehen geblieben sind und überholt anmuten.
Den Klapphornvers in ein aktuelles Kostüm zu setzen, ist der Ratschlag, den wir allen Wagemutigen geben möchten, die sich an unseren Wettbewerben beteiligen. Dazu einige Leitgedanken:
1.) Ähnlich wie der Limerick muss der Klapphornvers in festgelegter Strophenform gedichtet werden. Er besteht
aus 4 Zeilen mit je vier oder drei Hebungen und kommt gewöhnlich im jambischen Taktschritt daher.
Zwei Mäuse schauten froh sich an
sie Mäusefrau, er Mäusemann
Sie flüsterte: “Der Speck ist alle.
holst du mir neuen aus der Falle?“
Dietrich Wilhelm Grobe
2.) Mit Vorliebe schildert er zwei Personen, von denen wenigstens eine so extravagant ist, dass über sie
berichtet werden muss. Sein klassischer Anfang lautet "Zwei Knaben ...", "Zwei Mädchen ...", aber ebenso
gern befasst er sich auch mit "zwei" anderen Lebewesen oder unbelebten Objekten, wenn sie und ihr Tun
nur spaßhaft zu beschreiben sind:
Zwei Knaben gingen durch das Korn,
der eine trat in einen Dorn,
der andre – das tat wirklich wehe -
trat aus Versehen in die Ehe.
Ferdinand Kirchhoff
3.) Er kann, wie schon Beispiele aus seiner Ursprungszeit zeigen, sich auch mit einer einzigen Person oder
einem unbelebtem Gegenstand begnügen.
Die Nase tropft in Opas Suppe.
Der Suppe ist das ziemlich schnuppe.
Auch Opa bringt’s nicht aus der Ruh:
Er meint, es käm’ Gewürz hinzu
Jutta Kieber
4.) Auch Signalworte wie ´Korn´ oder ´Feld können helfen, den Klapphornvers sofort zu erkennen. Dasselbe
gilt für das ´Horn´ und alles, was an das Klapp(en)horn phonetisch erinnert:
Ein Klapphorn und ein Gartenhocker,
die ließen voneinand nicht locker.
Jetzt steht an unserm Swimmingpool
ein aufklappbarer Gartenstuhl.
Inge Spöhr
5.) Selbst eine Idee, ein wegweisendes Motto, eine aktuelle oder historische Affäre können im Klapphornvers
untergebracht werden. Auch der Poet, der es nicht lassen kann, seine Herzens- und Allgemeinbildung zu
demonstrieren, braucht sich hierbei nicht zu verstecken. Das Bluternste muss er sich allerdings für ein
anderes Gedicht aufheben:
Sein Teppich sprach zu Freud: “Wie dumm,
seit Jahren trittst du auf mir rum.“
Drauf hat ihn Freud zutiefst erregt,
sofort auf seine Couch gelegt.
Wilhelm Hasse
Werner Hadulla
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